Sonntag, 24. Juni 2012

Island 2010 - 2. Tag - Thorsmörk - ein geselliger Italiener und Schwielen am Hintern

Mein Plan für heute sieht vor, die Hochlandregion des Thorsmörk zu bereisen. Ich habe schon viel über die phantastischen Lavalandschaften im grünen, flußdurchschlängelten Tal gehört und möchte eine kleine Wanderung unternehmen. Es soll mit dem Bus ins Thorsmörk gehen und am Abend auch wieder zurück nach Reykjavik – mein Hotel ist ja gebucht – kein guter Plan…

                                          

Von unserem Bus habe ich leider kein Foto. Er ist das ältere und klapprigere Vorgängermodell eines dieser Busse.


Unser Bus weckt in mir einige Zweifel …  in Deutschland wäre der durch keinen Tüv mehr gekommen – überall hängen Kabel in den Gästeraum hinein, die uns bei jeder kleinsten Erhebung (und davon gibt es heute viele) ins Gesicht baumeln.


Die Vertäfelung der Kabel neben meinem Sitz ist ab – bei jedem kleinsten Geröll baumeln mir und dem Italiener neben mir die Kabel ins Gesicht.

Ob wir damit die beschwerliche Strecke ins Hochland meistern werden? Immerhin geht es über Stock und Stein (oder besser gesagt durch eine Wüstenlandschaft gespickt mit Felsbrocken), es müssen reißende Flüsse mit dem Bus gefurtet werden und einige Höhenkilometer wollen erklommen werden. Beim Furten der Flüsse rappelt der Bus jedes Mal furchtbar, man wird komplett durchgeschüttelt, hat das Gefühl, dass der Bus keinen Kontakt mehr zum Flußboden hat, sondern auf den Wellen schwimmt und wird quer durch den Bus geschleudert. Dementsprechend halten alle bei jeder Furt die Luft an und klammern sich an dem nächstbesten Sitz fest. Alle werden komplett durchgeschaukelt. Und zudem sitzt neben mir ein sehr kontaktfreudiger, jedoch schmächtiger Italiener, der ununterbrochen schwätzt und bei einigen Furten so in die Luft geschleudert wird, dass er anschließend auf meinem Schoß landet … doch bei diesem Gerüttel dürfte dahinter keine Absicht stecken …

                                    
Der Blick aus dem Bus beim Furten einiger Flüsse vor Thorsmörk – mir wird übel.
  

Das Thorsmörk-Tal kommt ist in Sichtweite.

Unser Busfahrer ist ein alter Isländer, der nur isländisch spricht und seinen Streckenplan nicht mehr kennt … dementsprechend überfährt er einige Stopps (die ich zum Glück nicht brauche), doch im Angesicht anderer verzweifelter Fahrgäste frage ich mich, ob wir überhaupt im Thorsmörk ankommen werden – und ob wir dort jemals wieder abgeholt werden? Denn ich möchte heute Abend wieder in Reykjavik sein, weil ich dort doch (leider) eine weitere Nacht in dem „wunderschön“ abgeransten Hotel gebucht habe.
Zwischendrin gibt unser Bus auch noch den Geist auf, doch in solch feindlichen Hochlandregionen hilft jeder Vorbeifahrende gerne und so hat unser Busfahrer im Teamwork mit einigen Jeapfahrern, die Klapperkiste dann doch recht bald wieder zum Laufen gebracht. Doch für kurze Zeit rutschte mir das Herz in die Hose, als ich mir Szenarien ausmalte, in denen ich ohne mein Gepäck im Hochland übernachten muss…
Zu allem Überfluss schüttet es die ganze Fahrt lang wie aus Eimern und der Gedanke gleich im Strömenden Regen (mit einer Stofftasche mit nicht regenfesten Farben vom Flohmarkt) die kurze Bergwanderung zu unternehmen, löst in mir Unbehagen aus.
Im Thorsmörk angekommen lassen wir uns an der Langidalur-Hütte vom Busfahrer abladen und sind kaum angekommen prompt unter Zeitdruck. Es ist zwölf Uhr und um drei Uhr werden wir schon wieder vom Busfahrer in Langidalur abgeholt (vorausgesetzt er findet den Weg zur Hütte auch ein zweites Mal…).
Der etwas planlose Italiener schließt sich mir auf einer Wanderung auf den nahe der Langidalur-Hütte gelegenen Aussichtsberg an. Um die Zeit besser im Griff zu haben, schlagen wir uns zunächst durch ein Flußlabyrinth zu der Basar-Hütte im Tal durch. Zum Glück haben die Isländer überall verschiebbare Brücken angebracht – die Wetterverhältnisse und Flußläufe scheinen hier öfter unberechenbar zu sein.

       
Praktisch! In voller Regenmontur (mal abgesehen von der nicht wasserfesten Flohmarkttasche, die wenn naß geworden, übelst abfärbt) auf einer verschiebbaren Brücke – eine tolle Erfindung!

Aufgrund des Dauerregens eröffnet sich uns vom Aussichtberg keine grandios weite Sicht, aber man kann sich gut vorstellen, wie wunderschön dieses Tal bei Sonnenschein ist.

    

Etwas abgehetzt und komplett durchnässt kommen wir unten im Tal an und haben noch eine halbe Stunde, bis der Busfahrer uns hoffentlich wieder von seiner Schleife über die anderen Thorsmörk-Hütten abholt. Der Italiener entscheidet sich in einem einfachen, aber komfortablen Zimmer der Langidalur-Hütten zu übernachten und ich bin ein wenig neidisch. Gerne hätte ich noch eine Wanderung zum Höhlenwasserfall Stakkholtsgija unternommen und in dem hauseigenen kleinen Hotpot gebadet, doch mein leider schon vorgebuchtes Hotel ohne Flair in Reykjavik wartet auf mich.
Auf der Rückfahrt kommt kurz die Sonne heraus. Das bringt mir jetzt auch nichts mehr!
Ansonsten ist die Rückfahrt wieder gruselig. Zu den Eskapaden mit dem klapprigen Bus gesellt sich ein dichter Nebel, der uns noch nicht einmal einen Meter vor dem Bus etwas erkennen lässt. Eine gute Voraussetzungen, um die zahlreichen gefährlichen Furten zu unternehmen! Also heißt es erneut: Augen zu und beten!



Doch ich komme Abends – wider Erwarten – unbeschadet in meinem nüchternen Hotelzimmer in Reykjavik an. Die Wiedersehensfreude ist gewaltig. Leider habe ich kein Foto von diesem außerordentlichen Juwel der Luxusklasse. Zudem sind meine Hände mittlerweile rot gefärbt von meiner Tasche. Das ist bestimmt gesund!

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