Mein Plan für heute sieht vor, die
Hochlandregion des Thorsmörk zu bereisen. Ich habe schon viel über die
phantastischen Lavalandschaften im grünen, flußdurchschlängelten Tal
gehört und möchte eine kleine Wanderung unternehmen. Es soll mit dem Bus
ins Thorsmörk gehen und am Abend auch wieder zurück nach Reykjavik –
mein Hotel ist ja gebucht – kein guter Plan…
Von unserem Bus habe ich leider kein Foto. Er ist das ältere und klapprigere Vorgängermodell eines dieser Busse.
Unser
Bus weckt in mir einige Zweifel … in Deutschland wäre der durch
keinen Tüv mehr gekommen – überall hängen Kabel in den Gästeraum
hinein, die uns bei jeder kleinsten Erhebung (und davon gibt es heute
viele) ins Gesicht baumeln.
Die Vertäfelung der Kabel neben meinem Sitz ist ab – bei jedem kleinsten Geröll baumeln mir und dem Italiener neben mir die Kabel ins Gesicht.
Ob wir damit die beschwerliche Strecke
ins Hochland meistern werden? Immerhin geht es über Stock und Stein
(oder besser gesagt durch eine Wüstenlandschaft gespickt mit
Felsbrocken), es müssen reißende Flüsse mit dem Bus gefurtet werden und
einige Höhenkilometer wollen erklommen werden. Beim Furten der Flüsse
rappelt der Bus jedes Mal furchtbar, man wird komplett durchgeschüttelt,
hat das Gefühl, dass der Bus keinen Kontakt mehr zum Flußboden hat,
sondern auf den Wellen schwimmt und wird quer durch den Bus
geschleudert. Dementsprechend halten alle bei jeder Furt die Luft an und
klammern sich an dem nächstbesten Sitz fest. Alle werden komplett
durchgeschaukelt. Und zudem sitzt neben mir ein sehr kontaktfreudiger,
jedoch schmächtiger Italiener, der ununterbrochen schwätzt und bei
einigen Furten so in die Luft geschleudert wird, dass er anschließend
auf meinem Schoß landet … doch bei diesem Gerüttel dürfte dahinter keine
Absicht stecken …
Der Blick aus dem Bus beim Furten einiger Flüsse vor Thorsmörk – mir wird übel.
Das Thorsmörk-Tal kommt ist in Sichtweite.
Unser
Busfahrer ist ein alter Isländer, der nur isländisch spricht und
seinen Streckenplan nicht mehr kennt … dementsprechend überfährt er
einige Stopps (die ich zum Glück nicht brauche), doch im Angesicht
anderer verzweifelter Fahrgäste frage ich mich, ob wir überhaupt im
Thorsmörk ankommen werden – und ob wir dort jemals wieder abgeholt
werden? Denn ich möchte heute Abend wieder in Reykjavik sein, weil ich
dort doch (leider) eine weitere Nacht in dem „wunderschön“ abgeransten
Hotel gebucht habe.
Zwischendrin
gibt unser Bus auch noch den Geist auf, doch in solch feindlichen
Hochlandregionen hilft jeder Vorbeifahrende gerne und so hat unser
Busfahrer im Teamwork mit einigen Jeapfahrern, die Klapperkiste dann
doch recht bald wieder zum Laufen gebracht. Doch für kurze Zeit
rutschte mir das Herz in die Hose, als ich mir Szenarien ausmalte, in
denen ich ohne mein Gepäck im Hochland übernachten muss…
Zu
allem Überfluss schüttet es die ganze Fahrt lang wie aus Eimern und
der Gedanke gleich im Strömenden Regen (mit einer Stofftasche mit nicht
regenfesten Farben vom Flohmarkt) die kurze Bergwanderung zu
unternehmen, löst in mir Unbehagen aus.
Im
Thorsmörk angekommen lassen wir uns an der Langidalur-Hütte vom
Busfahrer abladen und sind kaum angekommen prompt unter Zeitdruck. Es
ist zwölf Uhr und um drei Uhr werden wir schon wieder vom Busfahrer in
Langidalur abgeholt (vorausgesetzt er findet den Weg zur Hütte auch ein
zweites Mal…).
Der etwas
planlose Italiener schließt sich mir auf einer Wanderung auf den nahe
der Langidalur-Hütte gelegenen Aussichtsberg an. Um die Zeit besser im
Griff zu haben, schlagen wir uns zunächst durch ein Flußlabyrinth zu
der Basar-Hütte im Tal durch. Zum Glück haben die Isländer überall
verschiebbare Brücken angebracht – die Wetterverhältnisse und Flußläufe
scheinen hier öfter unberechenbar zu sein.
Praktisch! In voller Regenmontur
(mal abgesehen von der nicht wasserfesten Flohmarkttasche, die wenn naß
geworden, übelst abfärbt) auf einer verschiebbaren Brücke – eine tolle
Erfindung!
Aufgrund des Dauerregens
eröffnet sich uns vom Aussichtberg keine grandios weite Sicht, aber man
kann sich gut vorstellen, wie wunderschön dieses Tal bei Sonnenschein
ist.
Etwas abgehetzt und komplett
durchnässt kommen wir unten im Tal an und haben noch eine halbe Stunde,
bis der Busfahrer uns hoffentlich wieder von seiner Schleife über die
anderen Thorsmörk-Hütten abholt. Der Italiener entscheidet sich in
einem einfachen, aber komfortablen Zimmer der Langidalur-Hütten zu
übernachten und ich bin ein wenig neidisch. Gerne hätte ich noch eine
Wanderung zum Höhlenwasserfall Stakkholtsgija unternommen und in dem
hauseigenen kleinen Hotpot gebadet, doch mein leider schon vorgebuchtes
Hotel ohne Flair in Reykjavik wartet auf mich.
Auf der Rückfahrt kommt kurz die Sonne heraus. Das bringt mir jetzt auch nichts mehr!
Ansonsten
ist die Rückfahrt wieder gruselig. Zu den Eskapaden mit dem klapprigen
Bus gesellt sich ein dichter Nebel, der uns noch nicht einmal einen
Meter vor dem Bus etwas erkennen lässt. Eine gute Voraussetzungen, um
die zahlreichen gefährlichen Furten zu unternehmen! Also heißt es
erneut: Augen zu und beten!
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