Heute steht der eigentliche Grund
meiner Island-Reise an. Als Wasserratte träume ich schon lange von
einem Bad in den legendären heißen Quellen im Hochland von
Landmannalaugar. Dort fließen ein warmer Bach und ein kalter Bach
zusammen und produzieren am Zusammenlauf eine paradiesische
Wassertemperatur von ca. 36 Grad.
In
meinem verklärten Weltbild stellte ich mir meinen Aufenthalt im
Hochland wie folgt vor: eine unendlich beeindruckende Kulisse gesäumt
von grünen Wiesen mit Wollgras, angenehme Temperaturen um die 18 Grad,
viel Müßiggang, ab und zu gediegen in der warmen Quelle herumdümpeln,
einige Wanderungen zu den atemberaubenden bunten Ryolithbergen
unternehmen, und dabei in aller Ruhe auf einem Campinghocker vor dem
Zelt oder auf einer Wiese im Hochland sitzend die Landschaft zeichnen
und fotografieren. Also: Entspannung und Spaß pur.
Und hier kommt die Realität:
Schon
auf der Hinfahrt eröffnete sich mir das gewohnte Bild des
wolkenverhangenen Himmels mit ausgedehnten Regenduschen. Da möchte man
direkt im Bus bleiben.
Und
wieder eine holprige Busfahrt durch die Einöde. Nur diesmal war unser
Bus ein wenig besser im Schuss als gestern. Und das Wetter gibt langsam
doch Anlass zu verfrühten Hoffnungen.
Auf der Fahrt passieren wir das wunderschöne grüne Tal Landmannahellir. Hier muss ich noch mal hin!
Und wieder etliche Flußfurten – die Schwierigste liegt direkt vor dem Campingplatz von Landmannalaugar.
Die beschwerliche Reise hat sich
gelohnt. Von dem Campingplatz in wunderschöner Kulisse bin ich
überwältigt. Beschwingt von gefährlichem Optimismus buche ich gleich
zwei Übernachtungen auf dem Campingplatz.
Beim
Zeltaufbau im strömenden Regen und böigem Wind, wird mir dann schnell
das Ausmaß meines Leichtsinns bewusst. Doch noch bin ich optimistisch –
zu optimistisch.
Meine Schlafstätte – ein einwandiges Indoor-Sommerzelt rundherum mit Steinen befestigt und im Inneren mit größeren Felsstücken gepflastert, damit es den Sturmböen standhält. Eingelullt von der schönen Umgebung schöpfe ich keinen Verdacht…
Und die langersehnte Belohnung – ein Bad in der heißen Quelle von Landmannalaugar.
Während ich nichtsahnend bis zur
Bewusstlosigkeit in der heißen Quelle dümpele, nässt der Regen
ordentlich meine abgelegten Sachen ein. Eigentlich hatte ich diese an
einem Haken auf dem Holzsteg angebracht, doch Irgendwer scheint den
Beutel heruntergeworfen zu haben und nun ist Not am Mann. Das
Schlimmste: meine Schuhe und Socken sind vollkommen kalt und nass und so
ist der warme Badespaß schnell verflogen.
Durchgefroren
rette ich mich in mein Zelt, das ohne Innenzelt auch keinen Schutz vor
der rauen Natur bietet. Mittlerweile ist es ziemlich kalt und bei
jedem Windstoß wird ein Teil meines Zeltbodens angehoben (inklusive
Backpack!!!), so dass teilweise nur mein Hintern das Zelt am Boden
hält. Ich wollte doch Wandern gehen, aber ist mein Zelt noch da, wenn
ich zurückkehre? Ich entschließe mich dazu, dieses Experiment zu
riskieren; schließlich kann ich mich immer noch in der Hütte in
Landmannalaugar einmieten, falls alle Stricke reißen.
Um
irgendwie wieder eine erträgliche Körpertemperatur zu erreichen, mache
ich mich auf zu einer herrlichen Panorama-Wanderung rund um den
Campingplatz.
Die Aussicht auf der
Panorama-Wanderung ist zwar schön, doch werde ich durch den Sturm fasst
von den Bergen gefegt. Da ich dann doch nicht komplett lebensmüde bin,
drehe ich nach einiger Zeit schweren Herzens um.
Zur
Abwechslung schüttet es mal wieder wie aus Kübeln und im Tal
angekommen, ist mir auch wieder furchtbar kalt. Stehen bleiben ist kaum
noch möglich, ohne sofort einzufrieren. Also entscheide ich mich, in
dem berühmten „Landmannalaugar-Verpflegungs- und Aufwärmbus“
vorbeizuschauen. Diese Bezeichnung ist zwar eher ein Euphemismus, es
gibt teure Kekse und Citrussaft als Mahlzeit und es zieht durch die
Ritzen, doch angesicht der gottverlassenen Gegend in der ich mich
befinde, ein echter Luxus. Und ein paar interessante Gespräche kann man
hier auch immer führen… zum Beispiel mit zwei Radfahrern die seit
drei Tagen in Landmannalaugar ausharren aufgrund des katastrophalen
Wetters… sehr ermutigend! Und noch etwas: Bald schon schließt der Bus
und ich stehe wieder durchnässt und eingefroren in der Weite der
Landschaft, und das wo mein Tchibo-Indoor-Zelt doch so wunderbar
Zuflucht gewährt. Zu allem Überfluss hat es mittlerweile angefangen so
richtig zu stürmen und regnen. Hier bekommt das Wort Naturgewalten eine
ganz neue Bedeutung. Aus Verzweifelung bade ich mal wieder in der
heißen Quelle in der Hoffnung aufzuwärmen… stundenlang… und gerade als
ich mir überlege, mein Zelt abzubauen und in die Hütte umzuziehen,
sprechen zwei Bachdümpler neben mir darüber, dass die Hütte bereits
ausgebucht ist… ich traue mich kaum aus der warmen Quelle heraus, doch
als ich mich fühle, als hätten sich Schwimmflossen an meinen Gliedmaßen
gebildet, muss ich dann doch das Wasser verlassen… draußen trifft mich
sofort der eiskalte Wind und bis ich mich im durchnäßten Zustand in
die Kleidung gequält habe, ist jegliche Wärme wieder veflogen… Also, ab
in den Schlafsack und hoffen, dass es dort warm wird… die Hoffnung
stirbt zuletzt…
Im Schlafsack
wird es natürlich nicht warm… wie soll denn ein total durchgefrorener
Körper den Schlafsack auch anwärmen? Ich ziehe alles an, was ich in
meinem Backpack finde, inklusive Wanderschuhen und Winterjacke, hülle
mich selbst in der Regenpelle meines Backpacks ein – und trotzdem: es
nützt nichts. Der Wind stürmt erbarmungslos gegen meine Zeltwand
(Erinnerung: Indoorzelt ohne Innenzelt) und sobald die Sonne
untergangen ist, stellen sich nahezu arktische Temperaturen ein. Die
Natur führt mir meinen Leichtsinn auf brutale Weise vor Augen. Ich bin
mittlerweile hundemüde, doch immer, wenn ich gerade im Begriff bin
einzuschlafen, sendet mein Körper einen schaurigen Schock durch meine
Gliedmaßen, der das Blut in meinen Adern gefrieren lässt - als
Erinnerung daran, dass ich bei meinem Grad der Durchfrorenheit besser
nicht einschlafen sollte. Immerhin sorgt mein Körper dafür, dass ich in
diesem gefährlichen Zustand nicht schlafen kann… was würde wohl
passieren, wenn er mich einschlafen lassen würde? Ich will es nicht
wissen…
Mein Körper hat in diesem Dauerfrost einen wahnsinnigen Kalorienverbrauch und so esse ich mitten in der Nacht alle meine 10 (!) aus Deutschland mitgebrachten Müsliriegel auf einmal und muss danach mit Entsetzen feststellen, dass ich immer noch Hunger habe. Aber es hilft nichts, das waren alle meine Vorräte.
Gegen zwei Uhr Nachts halte ich es nicht mehr aus und begebe mich verzweifelt in das Toilettenhäuschen. Dieses hat zwar keine Wände, die bis zum Boden reichen, daher zieht es auch hier wie Hechtsuppe, doch eine kleine abgehalfterte Heizung springt mir in die Augen… sie funktioniert! Ein kleiner Schemel ist auch schnell gefunden. Und so lehne ich an der Heizung und hoffe auf ein baldiges Morgengrauen…
Mein Körper hat in diesem Dauerfrost einen wahnsinnigen Kalorienverbrauch und so esse ich mitten in der Nacht alle meine 10 (!) aus Deutschland mitgebrachten Müsliriegel auf einmal und muss danach mit Entsetzen feststellen, dass ich immer noch Hunger habe. Aber es hilft nichts, das waren alle meine Vorräte.
Gegen zwei Uhr Nachts halte ich es nicht mehr aus und begebe mich verzweifelt in das Toilettenhäuschen. Dieses hat zwar keine Wände, die bis zum Boden reichen, daher zieht es auch hier wie Hechtsuppe, doch eine kleine abgehalfterte Heizung springt mir in die Augen… sie funktioniert! Ein kleiner Schemel ist auch schnell gefunden. Und so lehne ich an der Heizung und hoffe auf ein baldiges Morgengrauen…
Plötzlich begegnet
mir die Platzwartin, die fürchterlich nach Knoblauch riecht und mit
ihrem Kind um 3 Uhr Nachts Zähne putzen geht ??? Als sie meinen Zustand
sieht, ist sie besorgt und bietet mir einen Platz in einem zur Zeit
nicht bewohnten Gruppenzelt mit Arktisschlafsäcken an, das eigentlich
einer Reisegruppe gehört… dankend nehme ich an und verlasse meinen
Platz an der Heizung…
Doch auch
in diesem Zelt wieder die gleiche Chose … selbst in drei
Arktisschlafsäcken eingemummelt stellt sich die Frage: wie soll mein
Körper diese Schlafsäcke anwärmen, wenn er komplett ausgekühlt ist? Es
funktioniert also nicht…
Das bedeutet: Ab an die Heizung im Toilettenhäuschen.
Im Morgengrauen spaziere ich
über den Zeltplatz und will ein weiteres Bad in der heißen Quelle
nehmen… doch ein älterer nackter Mann, der offensichtlich in der
Quelle seine Morgenmeditation verübt, hält mich davon ab.
Zwei der Lärmquellen, die mich
Nachts schmerzhaft daran erinnerten, dass an Einschlafen nicht zu
denken war… der Schnarcher im blauen Zelt nebenan und die blökenden
Schafe…
Es ist erst 5 Uhr
Morgens… Doch nach dieser Erfahrung habe ich die Schnauze voll… wenn
ich mein Zelt nur sehe, bekomme ich Wutkrämpfe und so packe ich –
natürlich mal wieder im strömenden Regen – ein.
Die perfekte Zeit, um meine nächste Wanderung zu starten!
Basta!
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