Sonntag, 24. Juni 2012

Island 2010 - 3. Tag - Landmannalaugar Endlich! Hochlandromantik und Baden in heißen Quellen... Oder Überlebenskampf nach Sonnenuntergang

Heute steht der eigentliche Grund meiner Island-Reise an. Als Wasserratte träume ich schon lange von einem Bad in den legendären heißen Quellen im Hochland von Landmannalaugar. Dort fließen ein warmer Bach und ein kalter Bach zusammen und produzieren am Zusammenlauf eine paradiesische Wassertemperatur von ca. 36 Grad.
In meinem verklärten Weltbild stellte ich mir meinen Aufenthalt im Hochland wie folgt vor: eine unendlich beeindruckende Kulisse gesäumt von grünen Wiesen mit Wollgras, angenehme Temperaturen um die 18 Grad, viel Müßiggang, ab und zu gediegen in der warmen Quelle herumdümpeln, einige Wanderungen zu den atemberaubenden bunten Ryolithbergen unternehmen, und dabei in aller Ruhe auf einem Campinghocker vor dem Zelt oder auf einer Wiese im Hochland sitzend die Landschaft zeichnen und fotografieren. Also: Entspannung und Spaß pur.
Und hier kommt die Realität:



Schon auf der Hinfahrt eröffnete sich mir das gewohnte Bild des wolkenverhangenen Himmels mit ausgedehnten Regenduschen. Da möchte man direkt im Bus bleiben.
Und wieder eine holprige Busfahrt durch die Einöde. Nur diesmal war unser Bus ein wenig besser im Schuss als gestern. Und das Wetter gibt langsam doch Anlass zu verfrühten Hoffnungen.



Auf der Fahrt passieren wir das wunderschöne grüne Tal Landmannahellir. Hier muss ich noch mal hin!

                                     

Und wieder etliche Flußfurten – die Schwierigste liegt direkt vor dem Campingplatz von Landmannalaugar.

                                        

Die beschwerliche Reise hat sich gelohnt. Von dem Campingplatz in wunderschöner Kulisse bin ich überwältigt. Beschwingt von gefährlichem Optimismus buche ich gleich zwei Übernachtungen auf dem Campingplatz.
Beim Zeltaufbau im strömenden Regen und böigem Wind, wird mir dann schnell das Ausmaß meines Leichtsinns bewusst. Doch noch bin ich optimistisch – zu optimistisch.


Meine Schlafstätte – ein einwandiges Indoor-Sommerzelt rundherum mit Steinen befestigt und im Inneren mit größeren Felsstücken gepflastert, damit es den Sturmböen standhält. Eingelullt von der schönen Umgebung schöpfe ich keinen Verdacht…
Und die langersehnte Belohnung – ein Bad in der heißen Quelle von Landmannalaugar.



Während ich nichtsahnend bis zur Bewusstlosigkeit in der heißen Quelle dümpele, nässt der Regen ordentlich meine abgelegten Sachen ein. Eigentlich hatte ich diese an einem Haken auf dem Holzsteg angebracht, doch Irgendwer scheint den Beutel heruntergeworfen zu haben und nun ist Not am Mann. Das Schlimmste: meine Schuhe und Socken sind vollkommen kalt und nass und so ist der warme Badespaß schnell verflogen.
Durchgefroren rette ich mich in mein Zelt, das ohne Innenzelt auch keinen Schutz vor der rauen Natur bietet. Mittlerweile ist es ziemlich kalt und bei jedem Windstoß wird ein Teil meines Zeltbodens angehoben (inklusive Backpack!!!), so dass teilweise nur mein Hintern das Zelt am Boden hält. Ich wollte doch Wandern gehen, aber ist mein Zelt noch da, wenn ich zurückkehre? Ich entschließe mich dazu, dieses Experiment zu riskieren; schließlich kann ich mich immer noch in der Hütte in Landmannalaugar einmieten, falls alle Stricke reißen.
Um irgendwie wieder eine erträgliche Körpertemperatur zu erreichen, mache ich mich auf zu einer herrlichen Panorama-Wanderung rund um den Campingplatz.

                                         

Die Aussicht auf der Panorama-Wanderung ist zwar schön, doch werde ich durch den Sturm fasst von den Bergen gefegt. Da ich dann doch nicht komplett lebensmüde bin, drehe ich nach einiger Zeit  schweren Herzens um.
Zur Abwechslung schüttet es mal wieder wie aus Kübeln und im Tal angekommen, ist mir auch wieder furchtbar kalt. Stehen bleiben ist kaum noch möglich, ohne sofort einzufrieren. Also entscheide ich mich,  in dem berühmten „Landmannalaugar-Verpflegungs- und Aufwärmbus“ vorbeizuschauen. Diese Bezeichnung ist zwar eher ein Euphemismus, es gibt teure Kekse und Citrussaft als Mahlzeit und es zieht durch die Ritzen, doch angesicht der gottverlassenen Gegend in der ich mich befinde, ein echter Luxus. Und ein paar interessante Gespräche kann man hier auch immer führen…  zum Beispiel mit zwei Radfahrern die seit drei Tagen in Landmannalaugar ausharren aufgrund des katastrophalen Wetters… sehr ermutigend! Und noch etwas: Bald schon schließt der Bus und ich stehe wieder durchnässt und eingefroren in der Weite der Landschaft, und das wo mein Tchibo-Indoor-Zelt doch so wunderbar Zuflucht gewährt. Zu allem Überfluss hat es mittlerweile angefangen so richtig zu stürmen und regnen. Hier bekommt das Wort Naturgewalten eine ganz neue Bedeutung. Aus Verzweifelung bade ich mal wieder in der heißen Quelle in der Hoffnung aufzuwärmen… stundenlang… und gerade als ich mir überlege, mein Zelt abzubauen und in die Hütte umzuziehen, sprechen zwei Bachdümpler neben mir darüber, dass die Hütte bereits ausgebucht ist… ich traue mich kaum aus der warmen Quelle heraus, doch als ich mich fühle, als hätten sich Schwimmflossen an meinen Gliedmaßen gebildet, muss ich dann doch das Wasser verlassen… draußen trifft mich sofort der eiskalte Wind und bis ich mich im durchnäßten Zustand in die Kleidung gequält habe, ist jegliche Wärme wieder veflogen… Also, ab in den Schlafsack und hoffen, dass es dort warm wird… die Hoffnung stirbt zuletzt…
Im Schlafsack wird es natürlich nicht warm… wie soll denn ein total durchgefrorener Körper den Schlafsack auch anwärmen? Ich ziehe alles an, was ich in meinem Backpack finde, inklusive Wanderschuhen und Winterjacke, hülle mich selbst in der Regenpelle meines Backpacks ein – und trotzdem: es nützt nichts. Der Wind stürmt erbarmungslos gegen meine Zeltwand (Erinnerung: Indoorzelt ohne Innenzelt) und sobald die Sonne untergangen ist, stellen sich nahezu arktische Temperaturen ein. Die Natur führt mir meinen Leichtsinn auf brutale Weise vor Augen. Ich bin mittlerweile hundemüde, doch immer, wenn ich gerade im Begriff bin einzuschlafen, sendet mein Körper einen schaurigen Schock durch meine Gliedmaßen, der das Blut in meinen Adern gefrieren lässt -  als Erinnerung daran, dass ich bei meinem Grad der Durchfrorenheit besser nicht einschlafen sollte. Immerhin sorgt mein Körper dafür, dass ich in diesem gefährlichen Zustand nicht schlafen kann… was würde wohl passieren, wenn er mich einschlafen lassen würde? Ich will es nicht wissen…
Mein Körper hat in diesem Dauerfrost einen wahnsinnigen Kalorienverbrauch und so esse ich mitten in der Nacht alle meine 10 (!) aus Deutschland mitgebrachten Müsliriegel auf einmal und muss danach mit Entsetzen feststellen, dass ich immer noch Hunger habe. Aber es hilft nichts, das waren alle meine Vorräte.
Gegen zwei Uhr Nachts halte ich es nicht mehr aus und begebe mich verzweifelt in das Toilettenhäuschen.  Dieses hat zwar keine Wände, die bis zum Boden reichen, daher zieht es auch hier wie Hechtsuppe, doch eine kleine abgehalfterte Heizung springt mir in die Augen… sie funktioniert! Ein kleiner Schemel ist auch schnell gefunden. Und so lehne ich an der Heizung und hoffe auf ein baldiges Morgengrauen…
Plötzlich begegnet mir die Platzwartin, die fürchterlich nach Knoblauch riecht und mit ihrem Kind um 3 Uhr Nachts Zähne putzen geht ??? Als sie meinen Zustand sieht, ist sie besorgt und bietet mir einen Platz in einem zur Zeit nicht bewohnten Gruppenzelt mit Arktisschlafsäcken an, das eigentlich einer Reisegruppe gehört… dankend nehme ich an und verlasse meinen Platz an der Heizung…
Doch auch in diesem Zelt wieder die gleiche Chose … selbst in drei Arktisschlafsäcken eingemummelt stellt sich die Frage: wie soll mein Körper diese Schlafsäcke anwärmen, wenn er komplett ausgekühlt ist? Es funktioniert also nicht…
Das bedeutet: Ab an die Heizung im Toilettenhäuschen.

 

Im Morgengrauen spaziere ich über den Zeltplatz und will ein weiteres Bad in der heißen Quelle nehmen… doch ein  älterer nackter Mann, der offensichtlich in der Quelle seine Morgenmeditation verübt, hält mich davon ab.

                                            

Zwei der Lärmquellen, die mich Nachts schmerzhaft daran erinnerten, dass an Einschlafen nicht zu denken war… der Schnarcher im blauen Zelt nebenan und die blökenden Schafe…
Es ist erst 5 Uhr Morgens… Doch nach dieser Erfahrung habe ich die Schnauze voll… wenn ich mein Zelt nur sehe, bekomme ich Wutkrämpfe und so packe ich – natürlich mal wieder im strömenden Regen – ein.
Die perfekte Zeit, um meine nächste Wanderung zu starten!


Basta!

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